Brasilien ist ein Land der Musik. Seinen Reichtum an musikalischen Ausdrucksformen verdankt es der Synthese europäischer, afrikanischer und indianischer Traditionen. Aus dem Zusammenspiel indianischer Rohrflöten, afrikanischer Perkussionsinstrumente und portugiesischer Violen (die Viola ist der Gitarre ähnlich und mit 10-12 Saiten bespannt), aus der Verbindung der portugiesischen Liedkultur und der Rhythmik der afrikanischen Sklaven entwickelte sich eine Musik von außerordentlicher Vielfalt und Schönheit, seien es die klassischen Kompositionen eines Villa-Lobos, die weichen Klänge des Bossa Nova oder die temperamentvolle Samba.Anfang der 20er Jahre dieses Jahrhunderts kam ein neuer Musikstil auf. Unter der Führung von Heitor Villa-Lobos (1887-1959) verschmolz die neue brasilianische Avantgarde in ihren symphonischen Werken avantgardistische, aus Europa importierte Ausdrucksformen mit Themen und Rhythmen der brasilianischen »Música Popular« und integrierten volkstümliche Musikinstrumente in das klassische Orchester.
Die Música Popular Brasileira (Oberbegriff für die folkloristischen und populären Spielarten der brasilianischen Musik) zeichnet sich durch Klangvielfalt und Formenreichtum aus. In ihr verbanden sich schon früh die traditionellen europäischen Instrumente – Gitarre, Klavier und Flöte -mit den verschiedensten Rhythmusinstrumenten, darunter Triangel, Rassel, Trommel, Tamburin und Cuíca. (Cuícas sind Reibtrommeln – ähnlich dem norddeutschen Rummelpott -, kleine Fässer mit einer Fellmembrane, in deren Mitte sich ein Holzstab befindet. Sie erzeugen einen typischen, quietschenden Ton, ähnlich dem eines Esels).
Seit den dreißiger Jahren verbreitete sich die populäre Musik in Brasilien auch über das Radio und erfreute sich in allen Gesellschaftsschichten wachsender Beliebtheit. Zu den bekanntesten Komponisten jener Zeit zählten Noel Rosa (1910-1937), Lamartine Babo (1904-1963) und Ary Barroso (1903-1963). Carmen Miranda (1909-1955), die bedeutendste Interpretin der Musik Barrosos, gelangte durch ihr Auftreten in einer Reihe von Hollywood-Filmen zu internationalem Ruhm.
Zu einem der ersten internationalen Erfolge der Bossa Nova-Bewegung wurde Mitte der sechziger Jahre das von lyrischer Eindringlichkeit und reicher Melodik getragene »The Girl from Ipanema« (A Garota de Ipanema). Dieses Lied weckte weltweit Interesse an brasilianischer Musik und machte den Poeten und Textdichter Vinicius de Moraes (1913-1980), vor allem aber den Komponisten Tom Jobim (1927-1994), dessen musikalischen Werdegang Hans-Joachim Koellreutter beeinflußt hatte, mit einem Schlag berühmt. 1998 konnte der Bossa Nova seinen 40sten Geburtstag feiern.
Die Tropikalisten der späten sechziger Jahre brachten unter dem Eindruck von Militärdiktatur, Stadtguerillas und Protestbewegungen kritisch-realistische Elemente in die brasilianische Unterhaltungsmusik und gaben ihr neue Impulse durch die Vermischung einheimischer Rhythmen mit den neuesten Entwicklungen der internationalen Popmusik (Rock ‘n’ Roll, Beatles, Jimi Hendrix u.a.). Vor allem Caetano Veloso, Gilberto Gil und Gal Costa vertraten den Som Livre, Som Universal (den freien, universellen »Sound«) des Tropikalismus und schufen eine neuartige Musik – lyrisch, intelligent, mit schnelleren, variableren Tempi und volleren Rhythmen als der Bossa Nova.
In den einzelnen Regionen Brasiliens haben sich ganz unterschiedliche Formen der Musik ausgebildet. Sehr beliebt im nordöstlichen Landesteil ist der Forró, in dem sich Akkordeon, Flöte, Gitarre und Schlaginstrumente zu einem Volkstanz verbinden, der von Fußstampfen begleitet wird. (Forró heißt auch das dörfliche Tanzvergnügen im brasilianischen Nordosten.) Ebenfalls aus dem Nordosten stammt der Frevo mit seinen synkopisch-akzentuierten Rhythmen, der wegen der hohen Spagatsprünge eine gute Körperbeherrschung verlangt.
Die Samba mit ihren verführerischen Rhythmen bleibt jedoch die für Brasilien typischste Musik. Ihr genauer Ursprung ist unbekannt. Manche nehmen an, die Samba sei auf den Straßen von Rio entstanden, und zwar aus einer Verschmelzung dreier kultureller Elemente – des portugiesischen höfischen Gesangs mit afrikanischen Rhythmen und schnellen Indiotänzen. Andere dagegen führen ihren Ursprung auf den afro-brasilianischen Batuque zurück, der nur von Perkussionsinstrumenten ausgeführt wird.
Ein weiteres für die brasilianische Musik bezeichnendes Musikgenre ist der Choro. Er entstand Ende des 19. Jahrhunderts in Rio de Janeiro und erfreut sich seither nach wie vor großer Beliebtheit. Die ersten Choros wurden von kleinen Instrumentalensembles, den sogenannten Chorões, dargeboten. Sie bestanden in der Regel aus Blasinstrumenten und Gitarren, die von Musikern mit hohem technischen Können gespielt wurden. Besondere Kennzeichen der Choros sind ihr melodischer Reichtum, ihre rhythmische und harmonische Vielfalt sowie die hochentwickelte Kontrapunktik, mit der die einzelnen Stimmen des Ensembles geführt werden. Diese Besonderheiten veranlassen Kenner, den Choro in die Nähe der Musik des Barock zu rücken. Der Choro hat sich stets auf der Grenze zwischen Unterhaltungs- und Konzertmusik bewegt und hat durch so bekannte Musiker wie Pixinguinha, João Pernambuco und Jacob do Bandolim besondere Geltung erlangt. Komponisten wie Ernesto Nazareth, Radamés Gnattali, Camargo Guarnieri und Heitor Villa-Lobos haben dem Choro in ihren Werken auf Dauer einen Platz in den Konzertsälen gesichert.
Die populäre brasilianische Musik von heute ist ständig auf der Suche nach neuen Rhythmen und Melodien. Seit sie den Anschluß an das internationale Musikgeschäft gefunden hat, stehen ihre Komponisten und Interpreten mehr und mehr im Wettbewerb um die Gunst eines internationalen Musikpublikums. Zu den bekanntesten Vertretern brasilianischer Música Popular gehören: Maria Bethânia, Alcione, Roberto Carlos, Cazuza, Ney Matogrosso, Rita Lee, Milton Nascimento, Hermeto Pascoal, Fafá de Belém, Chitãozinho und Chororó, Elba Ramalho, Alceu Valença, Luiz Gonzaga, Luiz Gonzaga Jr., João Bosco, Djavan, Ivan Lins, Marisa Monte und Elis Regina.
Link: MPB History of a century
www.brazil.org.uk/mpb/indexen.htm
Link: Textos do Brasil
www.dc.mre.gov.br (auf Portugiesisch) (auf Englisch)
Ein faszinierender Abriss über die MPB
Klassische Musik
Bereits im 17. und 18. Jahrhundert entwickelte sich in Brasilien ein reiches Musikleben. Einen besonderen Schwerpunkt bildete Minas Gerais, eine Region, in der umfangreiche Goldfunde die kulturelle Entwicklung insgesamt begünstigten. In den dortigen Städten lebten damals mehr als tausend Berufsmusiker, unter ihnen auch eine Reihe bedeutender Komponisten wie Joaquim Emérico Lobo de Mesquita (1746-1805), Marcos Coelho Neto (1740-1806), Ignácio Parreira Neves (etwa 1736-1793) und Francisco Gomes da Rocha (? -1808).
Obwohl viele musikalische Schöpfungen der damaligen Zeit verlorengegangen sind, besteht gerade in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse an der Wiederaufführung vor allem religiöser Werke. Die Musik ist in der Regel schlicht und ursprünglich, gleichzeitig klangschön und ausdrucksstark. Im 18. und 19. Jahrhundert konnte Brasilien dann wie kein anderes Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent auf eine blühende musikalische Landschaft verweisen. (Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten ihm die USA dank eines ungeheuren wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs und einer Vielzahl von aus Europa stammenden Musikern auch musikalisch den Rang ablaufen).
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlagerte sich der Schwerpunkt des Musiklebens von Minas nach Rio de Janeiro, gleichzeitig wuchs auch der Einfluß der europäischen Musik. Der bedeutendste Komponist dieser Zeit warJosé Mauricio Nunes Garcia (1767-1830), aus dessen Feder eine Vielzahl von Kompositionen stammt, unter denen sich wahre Meisterwerke befinden.
Im 19. Jahrhundert studierten die bedeutendsten Komponisten in Europa, unter ihnen Carlos Gomes (1836-1896), der viele Jahre in Italien lebte und dort besonders durch seine Opern sehr bekannt wurde. »O Guarani« und »O Escravo«, Opern, in denen typisch brasilianische Protagonisten wie Sklaven und Indios die Hauptrolle spielen, werden noch heute in italienischer Sprache gesungen. Weitere Spätromantiker wie Leopoldo Miguez(1850-1902), Henrique Oswald (1852-1931), Alexandre Levy (1864-1892), Alberto Nepomuceno (1864-1920) und Francisco Braga (1868-1945) standen noch stark unter dem Einfluß der europäischen Musik, selbst wenn sich in wachsendem Maße auch brasilianische Elemente in ihren Werken finden.
Trotz vieler bedeutender Komponisten und deren reichhaltigem Schaffen erschwerten wirtschaftliche Probleme zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Aufbau eines noch regeren Musiklebens. Dennoch schlug sich das wachsende Nationalbewußtsein bei aller stilistischen Vielfalt mehr und mehr auch in den Werken der brasilianischen Komponisten nieder.
Heitor Villa-Lobos (1887-1959)
Villa-Lobos gilt unangefochten als der bedeutendste Komponist, den Brasilien je hervorgebracht hat. Er wurde in Rio de Janeiro geboren und erhielt seinen ersten Klarinetten- und Cellounterricht von seinem Vater. Er durchlief keine formelle Hochschulausbildung zum Berufsmusiker, sondern blieb als Komponist reiner Autodidakt. In seinen Werken finden sich Einflüsse unterschiedlicher Strömungen brasilianischer Musik. Insbesondere war er geprägt von der Música Popular, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Rio de Janeiro entwickelte und die vor allem von kleinen Instrumentalensembles, den sogenannten „Chorões“, getragen wurde. Eingang in seine Musik fanden ferner Elemente der indigenen Kultur, die Villa-Lobos auf seinen ausgedehnten Reisen durch das Landesinnere kennenlernte. Hieraus entstand eine überaus originelle eigene Musik, die während der zwanziger Jahre sowohl in Brasilien als auch in Europa großes Aufsehen erregte. Aus dieser Zeit stammen die zwölf Choros (1920-1929) für unterschiedliche Besetzungen und das Nonett (1923).
Mit Beginn der dreißiger Jahre kommt in Villa-Lobos’ kompositorischem Schaffen eine neue Richtung zum Tragen. Bezeichnend sind die neun Bachianas Brasileiras, die in der Zeit von 1930 bis 1945 entstanden und seine berühmtesten Werke darstellen. Mit dieser Werkreihe, ihren Präludien, Fugen, Arias, Chorälen und Tokkaten verleiht Villa-Lobos seiner Bewunderung für Johann Sebastian Bach Ausdruck, den er seit seiner Kindheit besonders verehrte. In diese Zeit fällt auch der Einsatz des Komponisten für den Aufbau eines strukturierten Musikunterrichts in Brasilien. Er kümmerte sich nicht nur um die Gründung von Schulchören, sondern erstellte und bearbeitete ferner eine umfangreiche Sammlung brasilianischer Volksmusik.
Bis an sein Lebensende verfügte Villa-Lobos über eine unermüdliche Schaffenskraft. Neben den genannten Stücken umfaßt sein Werkkatalog mehrere Opern,12 Symphonien, zehn Konzerte für verschiedene Solo-Instrumente und Orchester, Symphonische Dichtungen, Kantaten (Mandu-Çarará), Ballettmusiken (Amazonas, Uirapuru), symphonische Chorwerke wie O Descobrimento do Brasil und Floresta do Amazonas, siebzehn Streichquartette, mehrere Kammermusikwerke für unterschiedliche Besetzungen, Lieder sowie Solostücke für Klavier und für Gitarre.
(Mozart) Camargo Guarnieri (1907-1993)
Camargo Guarnieri wurde in Tietê im Bundesstaat São Paulo als Kind italienischer Einwanderer geboren. Bereits in jungen Jahren erhielt er Klavier- und Kompositionsunterricht. Während seiner Zeit als Klavierdozent am Conservatório Musical e Dramático de São Paulo lernte er im Jahr 1928 den Schriftsteller und Musikwissenschaftler Mário de Andrade kennen, einen der führenden Köpfe des brasilianischen Modernismus’, der die künstlerische Entwicklung des Komponisten entscheidend beeinflussen und ihn veranlassen sollte, in seinen Werken typische Elemente brasilianischer Volksmusik zu verarbeiten. Als Auszeichnung für sein Werk Flor de Tremembé für 15 Soloinstrumente gewann er 1938 eine Studienreise nach Frankreich, wo er von Charles Koechlin und Nadia Boulanger unterrichtet wurde.
Bereits in den vierziger Jahren hatte sich Camargo Guarnieri als Komponist im In- und Ausland einen Namen gemacht. Seine Werke fanden in Südamerika und in den USA Anerkennung, er erhielt eine Reihe von Kompositionsaufträgen und war auch als Dirigent gefragt. Mit seinem „Offenen Brief an die Musiker und Kritiker Brasiliens“ und der darin geübten herben Kritik an der Zwölftontechnik, die von Hans-Joachim Koellreuter und der Gruppe „Música Viva“ vertreten wurde, löste er im Jahr 1950 einen tiefgreifenden Disput in der brasilianischen Kulturszene aus. Gleichsam als Bestätigung seines eigenen Standpunktes sind die in den darauffolgenden zehn Jahren entstandenen Kompositionen durchgängig von typisch brasilianischen Einflüssen geprägt. Genannt seien hier die Symphonie Nr. 3, die Oper Pedro Malazarte, der ein brasilianisches Volksmärchen zugrunde liegt, und die ersten der sieben Choros für Soloinstrumente und Orchester. In späteren Jahren entwickelte sich seine musikalische Sprache weiter, wurde allmählich härter und vielschichtiger, so im Klavierkonzert Nr. 5 aus dem Jahr 1970 mit seinen Zwölftonreihen, die den brasilianischen Charakter des Werkes dennoch voll zum Tragen kommen lassen.
Camargo Guarnieri war viele Jahre Dozent an der Universität São Paulo und gründete dort 1975 das Hochschulorchester. Zahlreiche wichtige brasilianische Komponisten wie Osvaldo Lacerda und Almeida Prado sind von ihm ausgebildet worden. 1992, kurz vor seinem Tod, wurde er von der Organisation Amerikanischer Staaten mit dem Gabriela-Mistral-Preis ausgezeichnet, mit dem ihm der Titel „Größter zeitgenössischer Komponist der drei Amerikas“ verliehen wurde.
Neben Pedro Malazarte schrieb Camargo Guarnieri eine weitere Oper, Um Homem Só. Zu seinem kompositorischen Werk gehören ferner sieben Symphonien, sechs Klavierkonzerte, zwei Violinkonzerte, verschiedene andere Orchesterwerke, Kammermusik, darunter drei Streichquartette, sieben Violinsonaten, drei Cellosonaten, Chorwerke, darunter die Missa Dilígite, annähernd 200 Lieder und ein umfangreiches Klavieroeuvre, das eine Sonate und acht Sonatinen umfaßt. Darüber hinaus entstammt seiner Feder ein Zyklus von fünfzig Ponteios für Klavier.
Cláudio Santoro (1919-1989)
Cláudio Santoro wurde in Manaus im Bundesstaat Amazonas geboren. Schon in jungen Jahren tat er sich in seiner Heimat als Geiger hervor und erhielt auf Grund seines Talents bald ein Stipendium für ein Musikstudium in Rio de Janeiro. Dort entstanden seine ersten Kompositionen, mit denen er den deutschen Komponisten und Hochschullehrer Hans-Joachim Koellreuter auf sich aufmerksam machte. Koellreuter war der führende Kopf der Bewegung „Música Viva“, die in den vierziger Jahren die Zwölftonmusik in Brasilien bekanntmachte. Koellreutter zeigte sich von Santoros Werken beeindruckt, in denen er Elemente der Schönbergschen Kompositionstechnik fand. Santoro blieb der Zwölftontechnik über Jahre verpflichtet. Erst die Teilnahme an dem ideologisch ausgerichteten Komponistenkongreß 1948 in Prag bewirkte eine Veränderung seiner Weltanschauung und damit auch seines kompositorischen Schaffens. Die neueingeschlagene Richtung machte seine Werke nunmehr einem breiteren Publikum zugänglich. Dabei griff Santoro auf typische Elemente brasilianischer Volksmusik zurück und zeigte sich offen von der Ideologie des sozialistischen Realismus beeinflußt. Diese Ausrichtung behielt er auch während der fünfziger Jahre bei. Höhepunkt dieser Schaffensperiode war seine monumentale 7. Symphonie „Brasília“, die im Jahr 1960 zur Eröffnung der neuen brasilianischen Hauptstadt entstand.
Zwischen 1960 und 1970 pendelte Santoro zwischen Brasília und Deutschland. An der Universität der neuen brasilianischen Hauptstadt baute er die Musikabteilung auf, gleichzeitig wurde er in Deutschland eingeladen, die Leitung der Ost-Berliner Staatsoper Unter den Linden zu übernehmen. Allerdings zog er es vor, weiterhin als freier Komponist und Gastdirigent tätig zu sein. 1970 wurde er an die Staatliche Musikhochschule Heidelberg-Mannheim berufen, an der er über zehn Jahre lehrte und seine Studien elektroakustischer Musik vertiefte. Nach der Rückkehr in sein Heimatland übernahm er die Leitung des Teatro Nacional in Brasília und gründete dessen Symphonieorchester. Seine letzten Lebensjahre waren von einem besonders intensiven kompositorischen Schaffen bestimmt. So entstanden seine letzten sechs Symphonien in weniger als sieben Jahren. Diese Werke tragen eine sehr persönliche Handschrift und erscheinen als Synthese all seiner zuvor gesammelten kompositorischen und ästhetischen Erfahrungen. Im Jahr 1989 verstarb Santoro ganz plötzlich auf der Bühne des Teatro Nacional, während der Probe zu einem Konzert des von ihm gegründeten Symphonieorchesters.
Santoros Oeuvre umfaßt 14 Symphonien, Solokonzerte für unterschiedliche Instrumente, Canto de Amor e Paz und andere Werke für Streichorchester, symphonische Chorwerke wie das „Requiem für Juscelino Kubitschek“ (Réquiem para JK) und die Oratorien „Berlin, 13. August“ (Berlim, 13 de agosto) und Os Estatutos do Homem, die Oper Alma, sieben Streichquartette, eine Reihe von Liedern, fünf Klaviersonaten sowie zwanzig Präludien und andere Werke für Klavier solo.
Unter den prominenten Komponisten des 20. Jahrhunderts, besonders im Bereich der Orchestermusik, befinden sich auch Francisco Mignone (1897-1986), Lorenzo Fernandez (1897-1948), Guerra-Peixe (1914-1993), José Siqueira (1907-1985), Radamés Gnattali (1906-1988), Lindembergue Cardoso (1939-1989) und Ernst Widmer (1927-1990). Daneben gibt es eine Reihe vielversprechender zeitgenössischer Komponisten: Edino Krieger, Marlos Nobre, Mário Ficarelli, Ricardo Tacuchian, Paulo Costa Lima, Ronaldo Miranda, Ernani Aguiar u.a.
Trotz vieler Schwierigkeiten, die es noch immer zu überwinden gilt, bemühen sich brasilianische Orchester und Solisten, die Kunstmusik ihres Heimatlandes im In- und Ausland bekanntzumachen. Solisten wie der Pianist Nelson Freire und der Cellist Antônio Meneses sind bereits seit langem berühmt, und auch das Symphonie-Orchester des Staates São Paulo genießt bereits hohe Anerkennung. Vor kurzem hat es unter dem Label BIS die ersten sechs Symphonien von Camargo Guarnieri, sowie berühmte Werke von Francisco Mignone eingespielt.